Aus
Sicht des Vaters
von Sascha Nehm
Alles schien so perfekt. Wir wollten im November heiraten, im Mai
2003 sollten wir Nachwuchs bekommen. Im März 2003 sollte ich mich neuen
beruflichen Herausforderungen in München stellen. Im Februar 2003 wollten wir
von Wiesbaden nach Aichach ziehen. Meine Frau wäre dann schon im Mutterschutz
gewesen und hätte sich in aller Ruhe im Kreise Ihrer Familie auf die Geburt
vorbereiten sollen. Ein vom Schicksal perfekt erstellter Projektplan. Besser
hätte ich das auch nicht machen können.
Doch was
weiß ein Mann schon vom Schicksal...
Eine
Vorahnung...
Ein
guter Freund von mir feiert seinen 30.
Geburtstag in Itzehoe. Ich fahre allein in die norddeutsche Tiefebene, da so
eine Norddeutsche „Feger-Feier“ nicht unbedingt das beste für eine schwangere
Frau ist. Wir wissen nun seit 2 Wochen, dass sich Nachwuchs ankündigt. Erzählen
wollen wir aber erst einmal niemanden davon. Das bringt Unglück... Obwohl das
ganz schön schwer ist. Ich freue mich riesig auf den Nachwuchs und am liebsten
würde ich es der ganzen Welt erzählen; und nun treffe ich auch noch lauter gute
alte Freunde wieder... Aber ich habe ja noch eine Nachricht. Schließlich wollen
wir ja auch noch heiraten... Die Feier war schön, auch schön anstrengend. Am
nächsten Morgen will ich früh aufbrechen, damit ich wieder schnell bei „meiner
Familie“ bin. Ich bringe noch Freunde zum Hamburger Flughafen. Plötzlich geht
mein Handy. Es ist meine Frau. Es beunruhigt mich schon, dass sie mich Sonntags
morgen um 8 Uhr anruft und Ihre Stimme klingt nicht gerade sorgenfrei. Solange
meine Freunde im Auto sind, will Sie mir Ihre Sorgen nicht mitteilen. Ich soll
Sie vom Hamburger Flughafen noch mal anrufen. Auf der Fahrt zum Flughafen
schießen mir 1000 Gedanken durch den Kopf. Hoffentlich ist nichts mit dem Kind.
Meine Freunde tragen nicht gerade viel zur Ablenkung bei, aber Sie wissen ja
auch nichts von den Umständen.
Als ich
vom Flughafen wieder auf der Autobahn bin, rufe ich Evelin an. Und tatsächlich,
es ist was mit dem Kind. Sie hatte abends leichte Blutungen gehabt. Ich versuche
Sie zu beruhigen, doch wie ??? Ich weiß ja noch nicht einmal wie ich auf diese
Nachricht reagieren soll. Evelin versucht dann erst einmal Ihre Schwester zu
erreichen, die ist Hebamme. Mal sehen was die sagt.
Mein
Bedürfnis nach Hause zu kommen ist schlagartig gestiegen. Warum kann man sich
noch nicht „beamen“ ??? Und es sind noch 600 lange Kilometer die ich mit meinen
Gedanken alleine bin... Das Kind ist noch nicht einmal auf der Welt und schon
beginnen die Sorgen...
Die
Untersuchung am nächsten Tag brachte keine Probleme hervor. Bei der nächsten
Untersuchung drauf, war ich mit dabei, und plötzlich sieht man 2
Embryos... Wir 3 (Ärztin, Evelin und
ich) sind platt. Wir hatten so lange wir über das Thema Kinder gesprochen
haben, immer darüber gescherzt, Zwillinge zu bekommen – nun ist es
eingetroffen. Bum. Das hat gesessen. Auch wenn wir uns ein Kind gewünscht haben
und diese Entscheidung bewusst getroffen haben, hatten wir uns gerade an den
Gedanken gewöhnt, für ein menschliches Lebewesen, dass auf einem angewiesen
ist, verantwortlich zu sein. Und nun sind es ZWEI. Auf einmal schlagen in uns
jede Menge von Herzen. Bei Evelin 5 (Ihres, die der Kinder, Freude, Sorge) bei
mir 3, meins, Freude und Sorge. Ich freue mich, dass es Zwillinge sind.
Schließlich ist das nicht der Normalfall... aber, können wir uns überhaupt
Zwillinge leisten ??? Nun brauchen wir doch alles doppelt, oder ??? Also auch
doppelt so viele Ausgaben. Die Tage ziehen ins Land und wir entdecken immer
mehr, was wir jetzt doppelt brauchen. Aber die Freude über 2 Kinder wird auch
immer stärker. Und die Verwandtschaft bietet verstärkt Ihre Unterstützung an.
Wenn man
sich dann mit dem Thema „Mehrlinge“ näher auseinandersetzt, bekommt man schnell
mit, daß man gar nicht alles doppelt braucht. Als Daumenregel lässt sich eher
1,5 Mal umsetzen. Und die Freude auf 2 Kinder wird immer größer.
In der
Zwischenzeit war eigentlich alles in Ordnung. Wir haben geheiratet und uns
jeden Tag ein Leben zu Viert ausgemalt. Evelin fieberte Ihren Mutterschutz
entgegen. Wir hatten einen günstigen Zwillingskinderwagen gefunden, der
zusammengeklappt auch in den Kofferraum eine 3er BMW passte. Das war gar nicht
so einfach.
Dann kam
der 6. Januar 2002. Der Tag an dem Sven Hannawald die Vier-Schanzen Tournee
gewann. Wir hatten einen Termin beim Frauenarzt in Friedberg. Wir wollten uns
eigentlich nur vorstellen, da wir ja die Kinder nicht in Wiesbaden entbinden
werden. Dr. Mersdorf hatte sogar extra einen Termin auf Sonntag Nachmittag
gelegt, da wir ja nur am Wochenende konnten. (Wir wohnten ja noch in Wiesbaden)
Also fuhren wir in die Praxis. Ich war gespannt auf die neuesten Ultraschall
Bilder. Schließlich war der letzte Frauenarzt Besuch 5 Wochen her. Wie würden
die Kinder jetzt wohl aussehen ???
Dr.
Meersdorf war ein lustiger, aber auch sehr gewissenhafter Arzt. Er hat uns
alles genau erklärt. Allerdings hatte er für mein empfinden, zu lange an den
Kindern herumgemessen. Und dann der Schock. Die Messergebnisse waren Eindeutig.
Eins, der zwei Kinder war von seinen Maßen 4 Wochen zurück. Was immer das
heißt.